Bombenhagel vertrieb Nonnen aus Ypern nach Irland
Eine Leidgeschichte, die man nicht mehr sehen kann
Das belgische Ypern, Siegens Partnerstadt, war im 1. Weltkrieg schwerem und anhaltendem Bombardement und Granatfeuer unterworfen. Davon war auch eine Abtei von Benediktinerinnen betroffen, die in Ypern „De Ierschen Damen” - die irischen Damen - hieß. Das war eine Tragik der Geschichte: Im 17. und 18. Jahrhundert wurden in Irland Katholiken ihres Glaubens wegen von der englischen Regierung verfolgt. Adelige Familien suchten darum, ihre Töchter im Ausland in Schutz zu geben und in der vertrauten Religion unterweisen zu lassen. Zuerst kamen sie als Schülerinnen. Nicht wenige von ihnen traten später dem Benediktinerinnenorden bei. Die Abtei geht auf die persönliche Initiative der Lady Mary Percy aus Northumberland zurück, deren Vater ein Feind Königin Elisabeths I. war, so dass die Familie das Weite suchen mußte. Die Abtei selbst wurde 1665 gegründet. Im Jahre 1682 wurde sie als irisches Kloster anerkannt.
Verfolger werden zu Helfern
Im Jahre 1914 wandten sich die ausgebombten Nonnen an das britische Heer. Dieses Mal war die Armee der ehemaligen Verfolger behilflich. Sie brachten die Nonnen zunächst nach Calais und Dover. Nach einer Pause in der Schwesterabtei in Oulton in Staffordshire kehrten die Schwestern des Yperner Ordens von dort in das Land ihres Ursprungs, Irland, zurück. Eine ehemalige Burg, Macmine Castle in der Nähe von Wexford, nicht weit vom Fährhafen Rosslare entfernt, war ihr erster Zufluchtsort in Irland. Aber für den Aufbau eines Schulbetriebs war die Burg auf Dauer zu klein.
Land der Bedrohung wird wieder Heimat
Dann bekam der unbeheimatete Orden nach sechs Jahren der Suche und des Wartens im Jahr 1920 eine Antwort, wie sie schöner nicht hätte ausfallen können: Genau auf der anderen Seite der Insel, in der einsamen und wilden Connemara, stand das Schloß Kylemore seit Jahren leer. Der Arzt und Tuchfabrikant Mitchell Henry aus Manchester hatte das riesige Schloß für seine Frau und sich selbst am Fuße des Duchruach-Berges und am Ufer des Kylemore-Sees im Jahre 1864 erbauen lassen. Zu dem Gebäude im Stil des Neo-Tudor gehörten rieseige Ländereien mit Musterbauernhof, eigenem Trinkwasserreservoir und Kraftwerk. Als aber Mrs. Henry während einer Ägyptenreise 1874 an der Ruhr starb, zog Henry Mitchell nichts mehr nach Kylemore. Er ließ noch von 1877 bis 1881 die neogotische Gedächtniskirche und ein Mausoleum errichten, aber dann überließ er die Pflege des gesamten Besitzes einem Verwalter. 1894 und 1902 wurden Haus und Gelände erfolglos zum Verkauf angeboten. Erst 1903 kaufte es ein amerikanischer Millionär.
Freundliche Überraschung nach langer Entbehrung
Für £ 45.000 konnten die Nonnen erhalten, was einmal 250.000 gekostet hatte. Dazu mußten sie öffentliche Anleihen aufnehmen. Aber dafür bot Kylemore Raum für Abtei, Schule und die Zimmer des internationalen Internats. Mithilfe der Gärten konnten und können sie ihre Küche in hohem Maße selbst versorgen. Alle Rechte der Abtei aus Ypern wurden ihr vom Heiligen Stuhl an diesen Ort übertragen.
Ein schlimmer Brand verwüstete 1959 zwei Drittel der Innenausstattung von Abtei und Schule. Die Schule und das Gästehaus, dass als ein Mittel der Refinanzierung geführt worden war, mußten einstweilen geschlossen werden. Beim Wiederaufbau genehmigten sich die Nonnen aber ein paar Änderungen, die das ehemalige Landschloß den Bedürfnissen von Abtei und Schule besser anpaßten.
Qualifiziertes Touristenziel
Besucher des westlichsten Zipfel der Insel Irland finden in Kylemore ein paar herrliche Räume vor, die stets besichtigt werden können. Kapelle und Mausoleum stehen ebenfalls ganzjährig offen. Naturfreunde können den ummauerten viktorianischen Garten studieren, dessen Blumen- ebenso wie Küchenkräuterbeete faszinieren, oder den Spazierwegen am See entlang oder durch den Wald am steilen Berghang folgen. Der gutsortierte Laden mitTöpferarbeiten aus Kylemore und das Café runden einen Besuch ab. Kylemore ist Irlands einzige Benediktinerinnenabtei.
A. Martin Steffe |