Ein Vitaminmangel ist nicht behoben Emmo Müller Schwere Krankheiten könnten durch Folsäure vermieden werden Von einem Mangel an dem B-Vitamin Folsäure sind kleine Kinder am schlimmsten betroffen. Bei ihnen kommt es zu Neuralrohdefekten wie der Spina bifida, dem offenen Rücken, zu Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Das ist noch relativ bekannt. Nicht bekannt ist, dass Kinder, die als Embryos unter einem Folsäuremangel litten, auch eher mit einem Herzfehler auf die Welt kommen oder später Leukämie entwickeln. In Deutschland werden derzeit immer noch jährlich etwa 800 Kinder allein mit einem Neuralrohdefekt geboren. In den USA hat man schneller reagiert: Seit 1998 ist dort die Gabe von Folsäure ans Backmehl Pflicht. Seitdem sind die Defekte schon um 20 Prozent zurückgegangen. Die Österreicher fanden eine andere charmante Lösung: Auf jeder Packung von Antibabypillen steht auf der Rückseite „Bei Kinderwunsch: Sofort Folsäure!”. Das hat das Interesse an diesem Vitamin in der Bevölkerung enorm erhöht. In Deutschland sind Nahrungsmittelzusätze gesetzlich nicht zulässig. Also zahlt man lieber die vermeidbaren Schäden. Die andere Altersgruppe, die von Folsäuremangel stark betroffen ist, sind alte Menschen. Wer als Kind noch gut durchkam, steht als Erwachsener in der besonderen Gefahr, Krebs, Schlaganfälle oder Herzinfarkte zu bekommen. Demenzerkrankungen wie Alzheimer fallen schwerer aus. Ein schwieriges Vitamin Hier spielen nun die Eigenschaften des Vitamins eine Rolle. Es ist eines der empfindlichsten, was Lagerung, Erwärmung und Behandlung angeht. Theoretisch könnte sich jeder Mensch leicht mit dem Vitamin versorgen, wenn er nur ausreichend Hefebackwaren, Weizenkeime, Leber, Eigelb oder Blattsalate zu sicht nimmt. Hinzu kommt, dass Folsäure meistens in der schwerer zu nutzenden Form der Polyglutamate vorliegt, während die Monoglutamate besser zu resorbieren sind. Praktisch aber gehen auf dem Weg von der Ernte bis in den Magen bereits zu viel Folsäure verloren. Zweitens resorbiert der alte Mensch nicht mehr so gut auch von einem durchaus vorhandenen Folsäureangebot. Drittens erschweren Medikamente, die gerade ältere Menschen vermehrt nehmen müssen, die Resorption des Vitamins. De facto also muß von einem dramatischen Vitaminmangel ausgegangen werden. Der Schutz vor insbesondere Lungen-, Darm-, Gebärmutterhals- und Brustkrebs ist keineswegs nur aufgrund anderer Studien hochgespielt worden. Er wurde in verschiedenen Studien wie der „Nurses' Health” und anderen namhaften Studien thematisiert und eindeutig bestätigt. In frühen Stadien der Krebserkrankungen konnte ihre Verschlimmerung durch hohe Foilsäuredosen aufgehalten werden. Entscheidend für ein gesundes Alter Die berühmte Physicians' Health Study mit über 14.000 Untersuchten belegte, dass Herz- und Hirninfarkte häufig von einem zu hohen Homocystein-Gehalt des Blutes verschlimmert oder gar vollständig verursacht werden. Der unbedenkliche Höchstwert wird deshalb heute mit 8 Mikromol angegeben, während er bislang bei 14 Mikromol angenommen wurde. Folsäure ist entscheidend zur Senkung des Homocysteinwertes. Es sollte aber gleichzeitig mit Vitamin B12 eingenommen werden, damit der Erfolg der Folsäure nicht die Mangelerscheinungen von Vitamin B12 maskiert. Menschen, die an M.Alzheimer oder M.Parkinson erkrankt sind, weisen deutlichen Folsäuremangel und zu hohe Homocysteinspiegel auf. Ob das ein weiteres Symptom der Krankheit oder eine Ursache ist, ist noch nicht genau bekannt. Es spricht jedoch nichts gegen eine ausreichend hohe Folsäuregabe, da diese weitere Verschlimmerungen, z.B. die Depression, aufhalten kann, wenn sie schon nicht mehr rechtzeitig zur Vorbeugung genommen werden konnten. Auch bei psychiatrischen Erkrankungen und Epilepsie spielt Folsäuremangel eine erhebliche Rolle. Es ist verdientsvoll, dass Emmo Müller im Trias Verlag, Stuttgart, diese Zusammenhänge übersichtlich und verständlich dargelegt hat. Es wäre nur wünschenswert gewesen, dass das Lektorat seine umständlichen Vorsichtsformulierungen und Ankündigungen der Tatsachen ausgefiltert hätte. A. Martin Steffe |